Steil, Steiler, Guatemala!

¡Hola Amigos! 

Rau und ursprünglich war der Empfang in Guatemala. Doch eins nach dem anderen. St. Christobal verlassen wir wie üblich mit der aufgehenden Sonne.  Der 12.12.ist offenbar der Höhepunkt der sportlichen Prozessionen zu Ehren der Jungfrau von Guadelupe. Schon morgens 4 Uhr laute Böller, Kirchenglocken und Tinitusverursachende Hupkonzerte der festlich verhunzten Fahrzeuge. Vor oder nach dem hupenden Begleitfahrezeug läuft meist einer oder mehrere Läufer mit einer Fackel, die wie bei einem Staffellauf weitergereicht wird. Religion ist eine ernste Sache. Spaß haben rein gefühlsmäßig die wenigsten Teilnehmer. Mit ernster Miene geht es nach St. Christobal. Der Lärm ebbt erst ab als wir wieder auf kleine abgelegen Holperstrecken abzweigen. Es mag an der mentalen Anspannung gelegen haben, gerüchteweise an den unbarmherzig brachialen Kräften die Ralf in zwei Tagen Pause durch die sagenhaft riesigen Mengen Essen gesammelt hat oder schlichtweg an Zeit, Korrosion und 50000 Kilometern in Wind und Wetter…und dem fehlenden Drehmomentgefühl in den Fingern. Jedenfalls rupft er sich den halben Lenker mitsamt des Hirschgeweihs ab. Die Empörung über das Versagens dieses überaus wertvollen Stückes Ingenieurskunst für 23 Euro Fuffzig legt sich schon nach kurzer Zeit. Als wir für umgerechnet 1,50 € schon im nächsten Ort einen neuen bekommen ist die Welt wieder in Ordnung… und von einer Kundenkritik beim Hersteller wird abgesehen. Schon am Abend ziehen mehr und mehr Wolken auf. In der Nacht beginnt der Regen. Leider haben wir wie üblich nur das Innenzelt aufgebaut. Schlaftrunken werfen wir das Außenzelt über das natürlich nicht wasserabweisende Innenzelt und schlafen weiter. Gnädigerweise lässt uns der Wettergott noch im trockenen unser Müsli löffeln bevor es richtig beginnt zu gießen. Zum ersten Mal zahlt es sich aus die Regenklamotten mit durch die Weltgeschichte zu fahren. Leider ist damit unser Tagesplan hinfällig an den trotz grauen Regenwetter azurblau leuchtenden Lagunas de Montebello einen kurzen Badestop einzulegen. Spätherbstliche Temperaturen lassen uns schon beim Gedanken schaudern nackig am Ufer herumzuhüpfen. Also lieber noch bisl weiter Fahrrad fahren. Das hält warm! 


Ausreisestempel auf mexikanischer Seite, eine steile Rampe mit 20 % Steigung bis zur Grenze, in der Baracke der Zollbehörde von Gracias de Dios den Einreisestempel abgeholt, fertig. Wir sind Guatemala.Eine raue Brise bläst uns entgegen. Die Anstiege werden länger. Wir tauchen in die Wolken ein. Nebel umschließt schlichtweg alles. Die Sicht beträgt kaum mehr als 15 m. Der Asphalt endet abrupt in einer steilen glitschigen Schotterpassage. Vor uns versuchen mehrere Leute einen Pick-up mit Steinen zu beladen um Traktion auf die Antriebsachse zu bekommen. Vergeblich bei dem nassen, schlammig-schmierigen Untergrund. Wir ziehen souverän vorbei. Später überholt uns die arme bis ans Limit gequälte Maschine laut brüllend und verschwindet wie ein Schatten wieder im dichten Nebel. Überhaupt hören wir fast nur Geräusche…krächzende Vögel, grunzende Schweine, glucksende Puten und gaggernde Hühner, das Schmatzen der Reifen im Schlamm. Wir fahren durch ein Dorf. Man erkennt man nur Umrisse von Gebäude und Menschen. Gespenstige Stimmung. Hitchcock lässt grüßen. Glücklicherweise finden wir hinter dem Dorf einen guten Zeltplatz. Am nächsten Morgen strahlt die Sonne. Unser Camp war perfekt in einem Taltrichter versteckt. Nach einer kurzen Abfahrt gelangen wir in ein wundervoll gelegenes Dorf. Die langsam steigenden Sonne lässt Dunst von den Häusern aufsteigen. Farbenfroh gestrichen und mit viel Hingabe für die ärmlichen Verhältnissen aufwendig verziert wirken sie. Die Maya Kultur scheint hier noch etwas tiefer verankert zu sein als wir es später im Rest von Guatemala erleben werden. Auch tragen vor allem die Frauen die traditionelle Bekleidung aus bunt gewebten Stoffen. Das ganze Bild wirkt malerisch. Der Anstieg hinter dem Dorf dagegen wirkt wie ein schlechter Scherz. Die Motorbremse der entgegenkommenden Fahrzeuge brüllt. Im Schneckentempo kriechen andere den Hang hinauf. Nicht zu fassen, daß sie das überhaupt schaffen. Auch wir sind im kleinsten Gang und winden uns Meter für Meter in Schlangenlinien nach oben. 1700 Höhenmeter beträgt der Anstieg durch die Regenwaldartige bewachsenen Hänge bis auf über 3200 m. Bis auf den letzten schmalen Grat und den steilsten Abhang ist die Landschaft von den Menschen geprägt.  Maisfelder,  Gemüsebau,  Forstwirtschaft in den weitläufigen Kiefernwäldern. Kalt weht der Wind auf dieser Höhe. In San Marco Ixtatan beginnt es zu Regnen. Richtig zu regnen!… Und hört die kommenden zwei Tage nicht mehr auf. Wir entscheiden uns ein Zimmer im Ort zu nehmen. Der folgende Anstieg beträgt nochmals weit über 1000 Höhenmeter. Bei dem Wetter und der bereits fortgeschrittenen Stunde wäre es totaler Quatsch weiterzufahren.  Wir können uns die Zeit gut vertreiben….Markt besuchen, Leckeres Obst und Gemüse kaufen, Kochen und genießen 😉 Die Locals wundern sich über unsere Erscheinung. 


Lautes Hupen, aufgeregtes Rufen, Motorenlärm – fünf Uhr ist im Hochland bereits Markt. Menschen kommen von überall aus der Umgebung mit den knallbunten „Chicken Buses“ an. Die gehören zum alltäglichen Bild in Guatemala. Gnadenlos überladen und vollgestopft mit Menschen  Tieren und allen möglichen was von A nach B gebracht werden muss, sind diese alten Mercedes- oder US School-Busse das Hauptverkehrsmittel des Landes. Das Busterminal befindet sich unter unserem Hotelzimmer. Das laute Spritzen und Klatschen beim Durchfahren der riesigen Pfützen verheißt nichts gutes… In Regenkleidung erklimmen wir den nächsten Berg, rollen zum Glück auf Asphalt ins Tal nach Soloma und bleiben wiederum durchnässt und fröstelnd in der interessanten Kleinstadt. 3400 m hoch liegt der Pass am kommenden Tag, der noch Huehuetenango führt.  Wieder nur eine halbe Etappe….frustrierend…doch  nur kurz…denn es gibt einen tollen Markt 😉 Am nächsten Morgen Sonne! Ole! Wir sehen etwas von der beeindruckenden Landschaft… Lichte Kiefernwalder, im Sonnenlicht golden leuchtende Haferfelder,  Mais, riesige Agaven…bevor es in einen endlosen Downhill nach Huehuetenango hinab geht. 

Die Ruinen von Zaculeu lassen wir Links liegen.  In den späten 40 er Jahren hat man versucht diese mit Beton nachzubilden und dabei ordentlich verhunzt. Der Eintrittsgeld erscheint uns unangemessen,  weshalb wir es vorziehen durchs Hochland weiter Richtung Tajamulco, dem höchsten Berg Zentralamerikas zu fahren. Auf dem Weg erlangen wir die harte Gewissheit,  dass es unserer Meinung nach kein Land mit steileren Straßen gibt! Doch keine noch so steile Rampe kann uns zurück halten! Der Vulkan Tajamulco (4220 m) erwartet uns und hat noch ganz andere Steigungen zu bieten. Nebenbei geraten wir noch in ein Profiradrennen und lassen uns von der jubelnden Menge an der Strecke mitfeiern.


Wir haben das Gerücht gehört man könne bis zum Gipfel des Tajamulco mit dem Bike aufsteigen. Also probieren wir es! Eine alte Kopfsteinpflaster Straße führt bis auf 3500 m. Danach wird schnell klar,  dass uns die Räder auf dieser Route nur hinderlich sein werden. Wir verstecken sie gut und klettern querfeldein zum Gipfel. Leider ist es relativ wolkig.  Trotzdem bieten sich tolle Blicke. Unter anderem auf den Vulkan Santa Maria nahe Quetzaltenango.  Schöner Berg…nächstes Ziel 😉 Beim Abstieg entdecken wir die Route ins Dorf Tajamulco,  die von den geführten Gruppen genommen wird. Den hätte man sicher gut mit dem Mtb fahren können!  Leider falsche Richtung und ungeeignetes Material dabei. Müll und Unrat versaut etwas das sonst so idyllische Bild der offiziellen Hauptroute.  Wir sind froh die, wenngleich anstrengendere, dafür aber unverfälschtere Route genommen zu haben.


Nur eine halbe Tagesetappe entfernt erreichen wir Quetzaltenango,  dass umgangssprachlich nur Xela genannt wird. Die zweitgrößte Stadt des Landes ist ein Provinznest,  was überhaupt nicht abwertend gemeint ist! Unser  Freund Kimme wird hier zu uns stoßen. Leider befindet er sich noch auf einer Bus – Odyssee von Cancun über Belize und Guatemala City hierher. Wir nutzen die Gelegenheit für etwas Regeneration nach 8 Tagen im Sattel und besteigen natürlich noch den Vulkan Santa Maria (3772 m). Als 3 er Team werden ab morgen Ralf, Kimme und ich bis Kolumbien weiterreisen. Bereits vor zwei Jahren haben wir ne super Zeit verbracht,  als wir gemeinsam von Lima (Peru) nach La Paz (Bolivien) geradelt sind. 


Euch zu Hause und in der Welt wünsche ich ebenfalls eine gute Zeit! Genießt die Weihnachtsfeiertage, das gute Essen, die Zeit mit der Familie und Freunden! Bis die Tage….Hasta luego! ?..Und Kette rechts!


4 Gedanken zu “Steil, Steiler, Guatemala!

  1. Moin Holger,
    ich platze vor Neid. Es ist herrlich dies zu lesen. Ich wünsche allergrößtes Vergnügen und freu mich auf neue News.
    Kette rechts
    ahoi Zack

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